Lilli und die Chaostruppe

von | Jan 2, 2023 | Allgemein

Am Beginn der Wintersaison 2019 bekam ich eine Vortragsanfrage aus einem bekannten österreichischen Skidomizil, mit dem Ziel die Mitarbeiter:innen eines Hotels, für die kommende Wintersaison zu motivieren: „Für unser Kick off Event (Start Wintersaison) am … in … würden wir einen Vortragenden im Bereich Motivation, Gästebegeisterung etc. suchen, der unserer Mitarbeiter auf die kommenden Monate einstimmt. Der Vortrag sollte höchsten 60 Minuten dauern, leicht verständlich sein (da wir auch einige Mitarbeiter haben, deren Muttersprache nicht Deutsch ist)“. Ich musste diese Zeilen wirklich 2x lesen, um die Widersinnigkeit dieser Anfrage zu verstehen.

In meiner Lieblingsskihütte läuft das anders. Dort sehe ich jedes Jahr die gleichen Menschen im Service. Der Gast wird persönlich bedient, der Chef steht hinter der Bar, die Chefin hilft in der Küche aus, weil wieder mal Not am Mann ist. Der Gast will schnell trinken und essen, weil jede Minute läuft die Skikarte. Und jetzt das Wichtigste – alle haben Spaß und sind motiviert. Wie kann das gehen? Mit einem Motivationsvortrag am Anfang der Saison?

Motivation ist ein biologischer Prozess. Indem wir uns auf etwas freuen oder auf ein freudiges Ereignis vorbereiten, schüttet unser Hirn den Botenstoff Dopamin aus. Dopamin gibt uns einerseits ein gutes Gefühl und bereitet andererseits den Körper auf die kommende Aktivität vor. Das blöde dabei ist, wenn der aktivierende Reiz von außen kommt (Extrinsische Motivation), schwächt er ganz schnell ab. Belohnung ist nicht mehr reizvoll, wenn ich schon sicher weiß, dass ich sie bekomme. Wir brauchen somit immer einen neuen oder stärkeren Reiz. Außer wir sind aus uns selbst motiviert, haben Spass an der Arbeit, im Umgang mit dem Kunden, im Kontakt mit den Kollegen, freuen uns jeden Tag im Team etwas zu schaffen, ….

Die Freude muss also aus uns selbst kommen (Intrinsische Motivation) und nicht von außen. Dabei ist wichtig, dass die Führung menschlich auf die Mitarbeiter eingeht und ihnen ihre Individualität belässt, denn jeder Mensch hat zwei wichtige Grundmotivatoren:

Verbundenheit und Entfaltung – Gestaltung: Nur wenn sich das Kind an der Hand der Mutter (Verbundenheit) sicher fühlt, wird es die Umgebung erkunden (Entfaltung und Gestaltung). Als Eltern ist uns das ganz klar, warum tun wir es nicht auch als Führungskräfte?

Ich habe dazu auch ein e-book verfasst und eine Artikel auf port41.

In meiner Lieblingsskihütte dürfte das wohl so laufen, sonst würde ich dort nicht immer so begeisterte und begeisternde Mitarbeiter:innen antreffen – auch wenn es mal superstressig ist. In der Speisekarte dieser Skihütte steht übrigens genau, was den Gast erwartet (neben den Speisen und Getränken): „Einen schönen Skitag wünschen: Lilli und Georg und die Chaostruppe“

Ach ja, da war ja noch die Vortragsanfrage: Ich habe dankend abgelehnt – das ist Aufgabe der Führung.

Der Autor

Mag. Martin Seibt MSc ist Biologe, Unternehmensberater, Trainer und Coach. Er beschäftigt sich mit Kooperation, kooperativem Führen und ist Autor von Büchern und Artikeln zum Thema Kooperation und Mitarbeiterzufriedenheit. Er ist Mitglied der Akademie für Neubiologisches Bildungsmanagement und der Expert Group „Kooperation und Netzwerke“