Zwischen Netzwerk, Haltung und Verantwortung
Es gibt Netzwerke, die nie in Organigrammen auftauchen und doch Karrieren prägen. Viele davon entstehen früh – etwa auf Sportplätzen, wo Männer über Jahre hinweg Verbindungen knüpfen, die später auch beruflich tragen. Diese informellen Allianzen beruhen weniger auf Absprache als auf Gewohnheit: Man kennt sich, man hält zueinander. Rolle und Loyalität stehen im Mittelpunkt, nicht unbedingt die Person dahinter.
Frauen hingegen haben solche eingespielten Strukturen oft nicht vorgefunden. Ihre Netzwerke entstanden später, bewusster – weniger durch Tradition, eher durch Reflexion. Dr.in Doris Walter, langjährige Geschäftsleiterin der FH Salzburg, beschreibt diesen Unterschied in der Radiosendung Fairplay Spezial nicht als Gegensatz, sondern als Entwicklung: Während männliche Netzwerke häufig über stillschweigende Rollen funktionieren, stellen weiblich geprägte Netzwerke eher die Frage, wer handelt – und warum.
Führung als Haltung, nicht als Zuschreibung
In diesem Gespräch wurde deutlich, dass „weibliche Führung“ kein biografisches Konzept ist, sondern ein kulturelles. Es bezeichnet keinen Führungsstil von Frauen, sondern eine Haltung, die in komplexen Zusammenhängen möglicherweise wirksamer ist: Entscheidungen nicht allein zu treffen, sondern tragfähig zu machen. Nicht um Konsens zu sichern, sondern um Verantwortung zu verankern.
Walter formulierte es so: „Man muss Unsicherheit aushalten können, ohne Handlungsfähigkeit zu verlieren.“ Diese Fähigkeit, Ambivalenz nicht als Gefahr, sondern als Ausgangspunkt zu begreifen, markiert eine stille Verschiebung im Führungsverständnis – weg von der Inszenierung von Stärke, hin zur Vermittlung von Orientierung.
Auch Petra Jenner knüpft in ihrem Buch Mit Verstand und Herz daran an. Sie fordert keine Feminisierung der Führung, sondern die Anerkennung von Eigenschaften, die lange als nachgeordnet galten: Zuhören, Authentizität, Beziehungsfähigkeit. Nicht als Gegenmodell zu rationalem Entscheiden, sondern als notwendige Ergänzung. Führung, so ihr Argument, kann nicht mehr nur steuern – sie muss Bedeutung vermitteln.
Komplexität anerkennen
Dass diese Überlegungen gerade aus Organisationen wie Hochschulen kommen, ist bemerkenswert. Dort bestehen demokratische Strukturen formal, während informelle Muster fortwirken. Die Gegenwart – volatil, vieldeutig, widersprüchlich – zwingt zu einem Abschied von Eindeutigkeit als Führungsinstrument. Wer Komplexität regieren will, sucht nach Kontrolle. Wer sie führt, sucht nach Einschätzung.
In diesem Sinn erscheint weiblich geprägte Führung nicht als weichere, sondern als bewusstere Form: Sie entscheidet nicht später, sondern anders – nach Einbeziehung, nicht nach Eingebung. Sie arbeitet mit Verantwortung, nicht mit Autorität. Solche Entscheidungen sind nicht langsamer, sondern belastbarer.
Der gesellschaftliche Gegenstrom
Parallel zu diesem Wandel innerhalb von Organisationen ist im politischen Feld eine gegenläufige Bewegung zu beobachten. Autoritäre Führungsfiguren gewinnen an Einfluss, einfache Botschaften verkehren Komplexität in Eindeutigkeit. Der Ruf nach Klarheit überlagert die Fähigkeit zur Ambivalenz.
Dieser Kontrast verweist nicht auf einen Konflikt zwischen Systemen, sondern auf unterschiedliche Antworten auf dieselbe Herausforderung: Unsicherheit. Dort, wo Vertrauen fehlt, entsteht die Sehnsucht nach Macht. Dort, wo Vertrauen wächst, entsteht Bereitschaft zur Verantwortung. Führung wird so zum Kulturzeichen einer Zeit, in der beides nebeneinander existiert: die Rückkehr zur Direktive und die Öffnung zur Teilhabe.
Generationen im Übergang
Dr.in Walter weist darauf hin, dass sich dieser Wandel nicht von selbst vollzieht. Verantwortung muss nicht nur geteilt, sondern ermöglicht werden. Führung ist unter diesen Bedingungen nicht mehr ausschließlich an Positionen gebunden, sondern an die Fähigkeit zur Reflexion. Ältere Führungskräfte – Frauen wie Männer – sind gefordert, Räume zu öffnen, in denen jüngere Haltungen erprobt werden können. Führung muss geübt werden dürfen.
In der Organisationsentwicklung findet dieser Gedanke zunehmend Widerhall. Führung wird weniger als Persönlichkeitsmerkmal diskutiert, sondern als kulturelles Muster. Reflexionsfähigkeit ersetzt die Logik reiner Steuerung. Wer heute in Unternehmen mit Führungsfragen arbeitet – wie etwa im Institut für emotional intelligente Führung oder bei Wismek Mind Management – begleitet diesen Prozess nicht über Vorgaben, sondern über Fragen.
Ein Übergang, kein Zustand
Es geht nicht darum, ein Führungsmodell durch ein anderes zu ersetzen. Vielmehr deutet sich ein Übergang an – von persönlicher Macht zu geteilter Verantwortung. Wo früher die Schnelligkeit einer Entscheidung zählte, gewinnt heute ihre Tragfähigkeit an Bedeutung. In diesem Wandel liegt keine Aufweichung, sondern eine Professionalisierung.
Zunehmend stellt sich daher weniger die Frage, wer führt, sondern wie Führung im System verankert ist. Organisationen, die diesen Wandel ernst nehmen, benötigen keine Checklisten, sondern Instrumente zur Selbstbeobachtung. Dazu gehört etwa der Unternehmens- und Führungscheck, entwickelt vom Institut für emotional intelligente Führung und Wismek Mind Management (www.unternehmens-check.at). Er richtet den Blick nicht auf individuelle Stärken, sondern auf kollektive Muster – dort, wo Haltung wirksam wird.
Offenes Ende
Was sich derzeit unter dem Begriff „weibliche Führung“ verdichtet, ist nicht ein Stil, sondern ein Perspektivwechsel. Weg von der Frage nach Stärke, hin zur Frage nach Verantwortung. Weg vom Zentrum auf die Spitze, hin zur Frage, wie sich Entscheidungen durch Systeme bewegen.
Ob dieser Wandel trägt, wird sich nicht im Diskurs, sondern in Krisen entscheiden. Führung ist kein Titel. Sie ist die Art, wie ein System entscheidet, wenn es darauf ankommt.
