Es gibt Netzwerke, die nie in Organigrammen auftauchen und doch Karrieren prägen. Viele davon entstehen früh – etwa auf Sportplätzen, wo Männer über Jahre hinweg Verbindungen knüpfen, die später auch beruflich tragen. Diese informellen Allianzen beruhen weniger auf Absprache als auf Gewohnheit: Man kennt sich, man hält zueinander. Rolle und Loyalität stehen im Mittelpunkt, nicht unbedingt die Person dahinter.
Frauen hingegen haben solche eingespielten Strukturen oft nicht vorgefunden. Ihre Netzwerke entstanden später, bewusster – weniger durch Tradition, eher durch Reflexion. Dr.in Doris Walter, langjährige Geschäftsleiterin der FH Salzburg, beschreibt diesen Unterschied in der Radiosendung Fairplay Spezialnicht als Gegensatz, sondern als Entwicklung: Während männliche Netzwerke häufig über stillschweigende Rollen funktionieren, stellen weiblich geprägte Netzwerke eher die Frage, wer handelt – und warum.
Führung als Haltung, nicht als Zuschreibung
In diesem Gespräch wurde deutlich, dass „weibliche Führung“ kein biografisches Konzept ist, sondern ein kulturelles. Es bezeichnet keinen Führungsstil von Frauen, sondern eine Haltung, die in komplexen Zusammenhängen möglicherweise wirksamer ist: Entscheidungen nicht allein zu treffen, sondern tragfähig zu machen. Nicht um Konsens zu sichern, sondern um Verantwortung zu verankern.
Walter formulierte es so: „Man muss Unsicherheit aushalten können, ohne Handlungsfähigkeit zu verlieren.“ Diese Fähigkeit, Ambivalenz nicht als Gefahr, sondern als Ausgangspunkt zu begreifen, markiert eine stille Verschiebung im Führungsverständnis – weg von der Inszenierung von Stärke, hin zur Vermittlung von Orientierung.
Auch Petra Jenner knüpft in ihrem Buch Mit Verstand und Herz daran an. Sie fordert keine Feminisierung der Führung, sondern die Anerkennung von Eigenschaften, die lange als nachgeordnet galten: Zuhören, Authentizität, Beziehungsfähigkeit. Nicht als Gegenmodell zu rationalem Entscheiden, sondern als notwendige Ergänzung. Führung, so ihr Argument, kann nicht mehr nur steuern – sie muss Bedeutung vermitteln.
Komplexität anerkennen
Dass diese Überlegungen gerade aus Organisationen wie Hochschulen kommen, ist bemerkenswert. Dort bestehen demokratische Strukturen formal, während informelle Muster fortwirken. Die Gegenwart – volatil, vieldeutig, widersprüchlich – zwingt zu einem Abschied von Eindeutigkeit als Führungsinstrument. Wer Komplexität regieren will, sucht nach Kontrolle. Wer sie führt, sucht nach Einschätzung.
In diesem Sinn erscheint weiblich geprägte Führung nicht als weichere, sondern als bewusstere Form: Sie entscheidet nicht später, sondern anders – nach Einbeziehung, nicht nach Eingebung. Sie arbeitet mit Verantwortung, nicht mit Autorität. Solche Entscheidungen sind nicht langsamer, sondern belastbarer.
Der gesellschaftliche Gegenstrom
Parallel zu diesem Wandel innerhalb von Organisationen ist im politischen Feld eine gegenläufige Bewegung zu beobachten. Autoritäre Führungsfiguren gewinnen an Einfluss, einfache Botschaften verkehren Komplexität in Eindeutigkeit. Der Ruf nach Klarheit überlagert die Fähigkeit zur Ambivalenz.
Dieser Kontrast verweist nicht auf einen Konflikt zwischen Systemen, sondern auf unterschiedliche Antworten auf dieselbe Herausforderung: Unsicherheit. Dort, wo Vertrauen fehlt, entsteht die Sehnsucht nach Macht. Dort, wo Vertrauen wächst, entsteht Bereitschaft zur Verantwortung. Führung wird so zum Kulturzeichen einer Zeit, in der beides nebeneinander existiert: die Rückkehr zur Direktive und die Öffnung zur Teilhabe.
Generationen im Übergang
Dr.in Walter weist darauf hin, dass sich dieser Wandel nicht von selbst vollzieht. Verantwortung muss nicht nur geteilt, sondern ermöglicht werden. Führung ist unter diesen Bedingungen nicht mehr ausschließlich an Positionen gebunden, sondern an die Fähigkeit zur Reflexion. Ältere Führungskräfte – Frauen wie Männer – sind gefordert, Räume zu öffnen, in denen jüngere Haltungen erprobt werden können. Führung muss geübt werden dürfen.
In der Organisationsentwicklung findet dieser Gedanke zunehmend Widerhall. Führung wird weniger als Persönlichkeitsmerkmal diskutiert, sondern als kulturelles Muster. Reflexionsfähigkeit ersetzt die Logik reiner Steuerung. Wer heute in Unternehmen mit Führungsfragen arbeitet – wie etwa im Institut für emotional intelligente Führung oder bei Wismek Mind Management – begleitet diesen Prozess nicht über Vorgaben, sondern über Fragen.
Ein Übergang, kein Zustand
Es geht nicht darum, ein Führungsmodell durch ein anderes zu ersetzen. Vielmehr deutet sich ein Übergang an – von persönlicher Macht zu geteilter Verantwortung. Wo früher die Schnelligkeit einer Entscheidung zählte, gewinnt heute ihre Tragfähigkeit an Bedeutung. In diesem Wandel liegt keine Aufweichung, sondern eine Professionalisierung.
Zunehmend stellt sich daher weniger die Frage, wer führt, sondern wie Führung im System verankert ist. Organisationen, die diesen Wandel ernst nehmen, benötigen keine Checklisten, sondern Instrumente zur Selbstbeobachtung. Dazu gehört etwa der Unternehmens- und Führungscheck, entwickelt vom Institut für emotional intelligente Führung und Wismek Mind Management(www.unternehmens-check.at). Er richtet den Blick nicht auf individuelle Stärken, sondern auf kollektive Muster – dort, wo Haltung wirksam wird.
Offenes Ende
Was sich derzeit unter dem Begriff „weibliche Führung“ verdichtet, ist nicht ein Stil, sondern ein Perspektivwechsel. Weg von der Frage nach Stärke, hin zur Frage nach Verantwortung. Weg vom Zentrum auf die Spitze, hin zur Frage, wie sich Entscheidungen durch Systeme bewegen.
Ob dieser Wandel trägt, wird sich nicht im Diskurs, sondern in Krisen entscheiden. Führung ist kein Titel. Sie ist die Art, wie ein System entscheidet, wenn es darauf ankommt.
Ein Essay über Sehnsüchte, Missverständnisse und die radikale Ehrlichkeit, die Arbeit heute braucht.
Wenn wir über New Work sprechen, dann denken viele an helle Büros, die nach Zitronengras duften. An Tischkicker, Gleitzeit und Menschen, die sich mit Post-its um einen Touchscreen versammeln. Wir haben uns daran gewöhnt, New Work mit Möbeln, Ritualen und Feelgood-Versprechen gleichzusetzen.
Doch das, was einmal als Gegenentwurf zur entfremdeten Erwerbsarbeit gedacht war, ist zur Kulisse geworden. Eine Idee, die einst Arbeit humanisieren wollte, wurde zur Marketingfolie auf alten Systemen.
In der Radiosendung „Fairplay Spezial“ spricht Organisationsentwicklerin Birgit Schreder-Wallinger über diese Entwicklung mit klarem Blick – und leiser Enttäuschung. Sie nennt das, was viele nicht mehr auszusprechen wagen: New Work hat Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt wurden.
Vom Versprechen zur Verpackung
Der Begriff stammt von Frithjof Bergmann, einem Philosophen, der die Arbeit von Grund auf neu denken wollte. Sein Ideal: Menschen sollen das tun, was sie „wirklich, wirklich wollen“.
Doch was als revolutionärer Ansatz gedacht war, wurde in Unternehmen auf Gratis-Obst und Homeoffice-Policies reduziert.
Kein Wunder also, dass viele heute lieber von „Future of Work“ sprechen. Klingt frischer, technischer, lösungsorientierter. Vielleicht auch, weil „New Work“ zu oft als freundliches Rebranding von Kontrolle missverstanden wurde.
Doch ob New oder Future – das Ziel bleibt dasselbe: Arbeit so zu gestalten, dass sie nicht nur funktioniert, sondern auch stärkt.
Empowerment ist kein Programm
Schreder-Wallinger bringt in der Sendung einen zentralen Begriff ins Spiel: psychologisches Empowerment. Es geht um Selbstwirksamkeit, um das Erleben von Einfluss, Sinn, Autonomie.
Keine Maßnahme der Welt – kein Workshop, kein Canvas – kann das erzwingen.
Empowerment ist kein Tool, sondern ein Zustand.
Und er entsteht nicht durch Wohlfühlangebote, sondern durch ernst gemeinte Partizipation. Durch Raum für Verantwortung. Durch das Aushalten von Unsicherheit.
Es braucht also mehr als Führungskräfte, die ihre Leute „abholen“ wollen – es braucht Organisationen, die bereit sind, Kontrolle abzugeben.
Agilität ist mehr als ein Framework
Auch Agilität – das zweite große Schlagwort der Sendung – wird oft missverstanden. Es geht nicht darum, schneller zu rennen oder jeden Trend mitzumachen.
Agilität meint: anpassungsfähig zu bleiben, ohne sich selbst zu verlieren.
Frameworks wie Scrum oder OKRs sind dabei Werkzeuge, keine Heilsversprechen. Sie helfen, Struktur zu schaffen, wo man Chaos erlaubt.
Auch das ist eine Zumutung: Wer agil arbeiten will, muss sich bewegen. Und oft ist nicht die Methode das Problem, sondern die Angst vor dem Kontrollverlust.
Kleine Intervention, große Wirkung
Die vielleicht tröstlichste Botschaft der Sendung: Man muss nicht alles auf einmal ändern.
Manchmal reicht es, mit einem ehrlichen Gespräch zu beginnen. Mit einer Retrospektive. Mit einer Frage, die zu oft fehlt: Was funktioniert bei uns eigentlich – und was nicht?
Selbst in starren Systemen sind minimale Eingriffe möglich, die viel verändern: Wenn Menschen erleben, dass sie gehört werden, entsteht Raum für das, was Bergmann einst „wirklich, wirklich wollen“ nannte.
New Work ist kein Angebot. Es ist eine Entscheidung.
Am Ende geht es nicht um Namen. Nicht um Begriffe, Labels, Buzzwords. Es geht um eine Haltung.
Die Entscheidung, Arbeit nicht länger als reine Ressourcennutzung zu begreifen, sondern als das, was sie im besten Fall sein kann: eine Form von Beziehung – zu uns selbst, zu anderen, zu einer Idee von Zukunft.
New Work ist keine Wohlfühloase. Es ist ein ehrlicher Blick auf das, was möglich ist – wenn wir uns trauen, alte Denkweisen loszulassen. Und bereit sind, nicht nur zu verändern, sondern uns selbst verändern zu lassen.
In der heutigen dynamischen und oft herausfordernden Geschäftswelt ist effektive Führung von entscheidender Bedeutung. Die letzten Jahre, geprägt von globalen Krisen und einem rasanten technologischen Wandel, haben deutlich gemacht, dass traditionelle Führungsmethoden nicht mehr ausreichen. Dieser Beitrag verbindet verschiedene Perspektiven und Erkenntnisse über moderne Führung aus den letzten Jahren, um ein umfassendes Bild davon zu vermitteln, wie Führungskräfte heute und in Zukunft erfolgreich agieren können. Besonders spannend ist dabei, wie sehr viele Bereiche an Aktualität gewonnen haben – wenngleich das Wissen um einen besseren Führungsstil schon längst vorhanden war.
Analyse der aktuellen Führungssituation
8 Regeln für den totalen Stillstand: Viele Unternehmen kämpfen mit veralteten Führungsprinzipien, die Innovation und Fortschritt behindern. Die „8 Regeln für den totalen Stillstand“ nach Prof. Peter Kruse verdeutlichen, wie bestimmte Verhaltensweisen und Strukturen Organisationen lähmen können. Dazu gehören:
Führungskräfte müssen sich raushalten oder alles im Griff haben. Am wirksamsten sind beide Methoden, abwechselnd
Diskussionen über Veränderungen nur auf der informellen Ebene führen – produzieren Sie Gerüchte
Möglichst viele Dinge gleichzeitig tun – Verbreiten Sie operative Hektik
Installieren Sie umfassenden Wettbewerb – nur der Einsatzbereiteste überlebt
Suchen Sie nach den Verursachern der Probleme, finden Sie heraus, wer wirklich Schuld ist
Diskutieren Sie nicht öffentlich über bestehende Regeln
Beschlüsse sollten auf der formellen Ebene möglichst schnell konsensfähig sein, um dann informell schnell in Frage gestellt zu werden
Die Veränderungsgeschwindigkeit auf der Beschlussebene sollte stets größer sein, als auf der Umsetzungsebene
Diese Regeln dienen als Warnung und unterstreichen die Notwendigkeit, alte Muster zu durchbrechen und neue, flexible Ansätze zu integrieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Komplexität macht Angst, das ist neurobiologisch gut nachvollziehbar. Je mehr Cortisol in unserem Blutkreislauf zirkuliert, umso mehr Oxytocin ist notwendig, um dieses wieder abzubauen. Oxytocin wird als „Bindungshormon” gebildet, wenn wir in intensiven, emotional erfüllenden sozialen Kontakten sind. Führung muss darauf Rücksicht nehmen, will sie nicht die Mitarbeiter mit Burnout-Symptomen verlieren.
Wenn uns die Covid-19-Pandemie eines aufgezeigt hat, dann ist es unser Umgang mit Krisen und Komplexität. Unser Verhalten während dieser Krise macht deutlich, wie wir persönlich und im Unternehmen mit Krisen umgehen.
Was ist eine Krise?
Eine Krise ist eine schwierige Lage, Situation, Zeit (die den Höhe- und Wendepunkt einer gefährlichen Entwicklung darstellt); Schwierigkeit, kritische Situation; Zeit der Gefährdung, des Gefährdetseins, so der Duden.
Krisen sind darüber hinaus dadurch gekennzeichnet, dass Sie eine Situation darstellen, die wir nicht managen können, in der viele Aspekte neu sind, manche noch weniger gut bekannt, Auswirkungen und Zusammenhänge unklar bleiben. Das gleiche gilt für Komplexität. Wir können somit eine Krise durchaus mit einer komplexen Situation vergleichen.
Krise = Komplexität + Angst
„Corona” war beides: Krise und Musterbeispiel für eine komplexe Situation. Betrachtet man das einzelne Individuum, kommt in heftigen Krisen dann auch noch eine Portion Angst (Angst vor der Krankheit, Existenzangst, Angst den Arbeitsplatz zu verlieren, …) dazu, was den Umgang nicht einfacher macht. Es ist also auf eine einfache Formel zu bringen:
Krise = Komplexität + Angst
Dietrich Dörner beschreibt in seinem Buch „Die Logik des Misslingens“ Komplexität in wunderbar einfachen Worten:
„… dass ein Akteur in einer komplexen Handlungssituation einem Schachspieler gleicht, der mit einem Schachspiel spielen muss, welches sehr viele … Figuren aufweist, die mit Gummifäden aneinander hängen, sodass es ihm unmöglich ist, nur eine Figur zu bewegen. Außerdem bewegen sich seine und des Gegners Figuren auch von allein, nach Regeln, die er nicht genau kennt oder über die er falsche Annahmen hat. Und obendrein befindet sich ein Teil der eigenen und der fremden Figuren im Nebel und ist nicht oder nur ungenau zu erkennen.“
In Unternehmen und Institutionen haben wir nicht immer Krisen, aber sehr oft komplexe Situationen. Verstärkend kommt hinzu, dass in den letzten Jahren die Zusammenarbeit mehr und mehr über Distanz verläuft. Homeoffice und dezentrale Teams in international agierenden Unternehmen gibt es schon lange, durch die notwendige Distanz in der Covid-19-Pandemie wurde jedoch eine Entwicklung beschleunigt, die durch den Metatrend Digitalisierung schon vorgezeichnet war: Kommunikation über digitale Medien.
Führung ist immer real
Führung wird somit in der Zukunft noch mehr auf Distanz vonstattengehen, als es bisher schon üblich war. Üblicherweise spricht man dann von virtueller Führung, daher ist im Titel dieses Artikels auch „virtuelle Führung“ enthalten, wenngleich dies den Tatsachen keineswegs gerecht wird. Führung ist nicht virtuell, Führung ist immer real, ob sie stattfindet oder auch nicht, wie auch immer sie im Detail gelebt wird, die Wirkung auf die Mitarbeiter:innen ist real. Auch wenn das Medium, über das die Führungskommunikation läuft, digital ist, ist nichts in unserer Zusammenarbeit virtuell. Die Fehler, die passieren, sind es nicht. Die Fehler passieren real. Und auch die Erfolge sind es nicht. Die Konflikte auf Distanz sind genauso real, als ob sie im Büro passieren würden und die daraus folgenden Umsatzeinbrüche sind real. Die Verantwortung liegt bei den Führungskräften.
Virtuelle Führung als spezielle Form der Führung ist also ein Mythos. Fehlt die persönliche Ebene, weil die Kommunikation auf Distanz verläuft, kann dies bestehende Mankos sogar noch verstärken. Eine Mail, die auf einen Fehler hinweist, die Kolleg:innen in cc, hat Auswirkungen auf die kritisierte Person. Der Gesichtsverlust, die mangelnde Wertschätzung und die Demotivation, die diese Mail auslöst, sind somit sehr real. Natürlich hätte im Rahmen einer Präsenzveranstaltung ein Tadel im Kreis der Kolleg:innen die gleiche Auswirkung. Er macht die Menschen unglücklich. Aber da hätte vielleicht eine abmildernde Geste oder auch ein(e) deeskalierende(r) Kollege:in helfen können.
Dies zeigt auch eine aktuelle Studie von Capgemini, die deutlich macht, dass für die neue hybride Arbeitswelt auch neue Ansätze der empathischen Mitarbeiterführung erforderlich sind. So sehen Mitarbeiter:innen eine Diskrepanz zwischen den wichtigsten Fähigkeiten, die sie von Führungskräften erwarten, und deren derzeitigem Leistungsniveau. Aus Sicht der Mitarbeiter:innen halten 75 Prozent emotionale Intelligenz für eine wesentliche Eigenschaft, aber nur 47 Prozent glauben, dass die Führungskraft in diesem Bereich wirklich kompetent sind. Ähnlich verhält es sich mit effektiver und kontinuierlicher Kommunikation (78 zu 53 Prozent) und Vertrauenskultur (84 zu 50 Prozent).
Komplexität macht Angst
Zu der digital erzeugten Distanz kommt nun oben beschriebene Komplexität von Organisationen und Unternehmen hinzu, die wir nur sehr schwer handhaben können. Der Hirnforscher John-Dylan Haynes spricht von zwei Herausforderungen, um mit Komplexität umzugehen:
Erstens der „Stationaritätsannahme”: Wir Menschen nehmen an, dass es morgen genauso wird, wie es heute ist. Wie wir in der zurückliegenden Krise gesehen haben, ist das falsch.
Und zweitens: Um mit Komplexität umzugehen, müssen wir extrem vereinfachen. Komplexität lebt aber von exponentiellen Entwicklungen, Ambiguität, Latenzen und Trägheit sowie unerwarteten Effekten. Eine Vereinfachung ist nahezu unmöglich.
Wir können also Krise, Komplexität und Dynamik sehr schwer handhaben. Dies verursacht bei uns Unsicherheit und mit Unsicherheit kann wiederum unser Gehirn schwer umgehen.
Die Dynamik der Angst
Jegliche Form von Unsicherheit löst bei uns im Gehirn eine Vorsichts-, Angst- oder Panikreaktion aus. Diese wiederum löst die neurobiologische Stressreaktion aus, die die Aufmerksamkeit auf die Gefahr und die notwendige Energie für Angriff, Erstarrung oder Flucht bereitstellen soll.
Als erster Neurotransmitter tritt Adrenalin in Aktion. Einmal ins Blut ausgeschüttet vermittelt Adrenalin eine Herzfrequenzsteigerung, einen durch Blutgefäßverengung bewirkten Blutdruckanstieg und eine Bronchiolenerweiterung. Das Hormon bewirkt zudem eine schnelle Energiebereitstellung durch Fettabbau sowie die Freisetzung und Biosynthese von Glucose.
Für die länger andauernde Stressreaktion ist dann Cortisol zuständig. Es aktiviert katabole (= abbauende) Stoffwechselvorgänge und stellt so dem Körper energiereiche Verbindungen zur Verfügung. Seine dämpfende Wirkung auf das Immunsystem ist langfristig gesundheitsschädlich.
Stress und seine Gegenspieler
Stress war und ist immer überlebensnotwendig, aber gleichzeitig schädlich. Aus diesem Grund gibt es im Körper des Menschen zwei Gegenreaktionen. Dem Stressverarbeitungssystem stehen das interneBeruhigungssystem und das Bindungssystem gegenüber.
Das interne Beruhigungssystem ist überwiegend der Neuromodulator Serotonin. Er hat mitunter eine beruhigende Wirkung und ist so als Gegenspieler von Cortisol von Bedeutung.
Der zweite Gegenspieler von Cortisol ist das Neuropeptid Oxytocin, das Bindungshormon. Hierdurch werden Soziale Emotionen und Verhaltensweisen aller Art begünstigt, einschließlich Vertrauen und Empathie gegenüber angenehmen Sozialkontakten. Die Ausschüttung von Oxytocin fördert meist auch eine Ausschüttung von Serotonin. Es hat jedoch auch selbst stressmindernde Funktion.
Die Bedeutung der Verbundenheit
Selbstberuhigung und Bindung reduzieren also Stress. Hier wird Führung wichtig: Je mehr auf Distanz gearbeitet wird, umso wichtiger ist die Nähe durch die Führungskraft.
Gerald Hüther spricht in diesem Zusammenhang von zwei Grundmotivationen des Menschen „Verbundenheit” und „Entfaltung und Gestaltung”. Verbundenheit ist die Primärerfahrung eines jeden Menschen, weil er ganz am Anfang seiner Existenz, ohne verbunden zu sein, nicht hätte überleben können. Dieses Grundbedürfnis wird er nie wieder los. Dies muss die Führungskraft wissen und berücksichtigen, aber wie?
Ein erster Gedanke wäre vielleicht: „… am Anfang eines Online-meetings ein paar freundliche Worte zu sprechen, zu fragen, wie es geht, um dann schnell zur Sache zu kommen. Es geht ja schließlich um Umsatz und Gewinn. Als Chef bin ich ja nicht für’s Wohlbefinden meiner Mitarbeiter:innen zuständig, da sollen sie sich selbst darum kümmern.” Weit gefehlt. Zuständig nicht, aber es zahlt sich aus, denn glückliche Menschen haben Erfolg.
Angst nehmen, Zuversicht zeigen
Was können wir also tun? Die Idee ist denkbar einfach: Mensch sein. Mehr Ehrlichkeit, positive Fehlerkultur, die Angst nehmen und Zuversicht zeigen.
Mehr Ehrlichkeit: Ehrlichkeit signalisiert Nähe, Floskeln sind distanziert. In komplexen Situationen kann ich auch als Chef nicht alles überblicken. Jede Entscheidung ist besser, als keine Entscheidung. Stehen sie zu Ihren Entscheidungen, auch wenn Sie manchmal falsch sind.
Positive Fehlerkultur: Ein Fehler ist erst ein Fehler, wenn man ihn zum zweiten Mal macht. Davor ist er ein Lerngutschein. Leben Sie diese Fehlerkultur als Vorbild vor.
Zuversicht zeigen: Menschen vergessen das Gesagte, aber sie erinnern sich an das Gefühl. Signalisieren Sie ein gutes Gefühl, ein Vertrauen in Ihre eigenen Entscheidungen und in die Zukunft.
Bei diesen vier Aspekten ist es völlig egal, ob sie digital oder face to face stattfinden.
Komplexität – Unsicherheit = Chance
Diese vier Aspekte machen den Menschen in uns aus, denn wenn wir als Chef auch noch Mensch sind, ist die Nähe inkludiert. Wenn wir durch unsere Führung Unsicherheit absorbieren, haben die Mitarbeiter:innen den Kopf frei für ihre eigentliche Aufgabe. Bringen wir es noch mal auf eine einfache Formel:
Gute Mitarbeiter finden und behalten ist Teil des Unternehmenserfolgs. Aber was erwarten Mitarbeiter heute? Was hat sich geändert? Diese sechs Tipps helfen Ihnen weiter.
Haben wir einmal gute Mitarbeiter, möchten wir, dass sie uns möglichst lange erhalten bleiben. Sie sind eine wichtige Stütze im täglichen Tun – und sie kosten Geld, wenn sie gehen: 14.900 Euro sind die durchschnittlichen Kosten für Mitarbeiter:innen, die ein Unternehmen verlassen. Das hat das Internationale Management- und Strategieberatungs-Unternehmen Deloitte 2019 in einer Analyse festgestellt. Wahrscheinlich sind die Kosten viel höher.
Mitarbeiter wechseln immer häufiger
Doch warum verlassen Mitarbeiter ein Unternehmen? Die Frage lässt sich heute schwerer beantworten, als noch vor 10 Jahren: Die Bedürfnisse und das Selbstverständnis von Mitarbeitern haben sich seither geändert. Nur eines steht fest: Die Fluktuationsrate steigt stetig an. Deshalb ist es für Unternehmer wichtig sich frühzeitig dieses Problems bewusst zu werden und ihren Führungsstil in Frage zu stellen.
Die vier wichtigsten Gründe für den Austritt aus den Unternehmen sind: die Führung (19%), das Gehalt (18%), die Aufstiegsmöglichkeiten (17%) und zu wenig positive Mitarbeitererlebnisse (13%).
Die Arbeitswelt im Wandel
Die zunehmende Nutzung digitaler Geräte bringt radikale Veränderungen mit sich. Die Digitalisierung erhöht die Komplexität und die Geschwindigkeit von Prozessen. Arbeitsbedingungen wechseln schnell, langjährige Berufe verschwinden, neue Chancen entstehen. Dies hat uns die Corona-Pandemie ganz deutlich vor Augen geführt.
Die Folge: Die Arbeitsplatzsituation verändert sich, auch die Bedürfnisse von Arbeitnehmer:innen haben sich verändert. Das führt zwangsläufig zu einer neuen unternehmerischen Kultur und diese bedarf einer neuen Führungskultur.
Grundbedürfnisse der Mitarbeiter
Gerald Hüther und Sebastian Purps-Pardigol definieren in ihrem Buch „Führen mit Hirn“ zwei Grundbedürfnisse des Menschen:
Zugehörigkeit – Menschen möchten sich verbunden fühlen.
Entfaltung und Gestaltung – Menschen möchten sich einbringen.
Die Führung muss also die Balance zwischen strategischer Ausrichtung und Mitarbeiter*innen-Kultur schaffen. Zudem ist es wichtig, ein Klima des Vertrauens aufzubauen und zu erhalten.
Tipp1: Das Unternehmen ist eine Familie und nicht der feindliche Dschungel
Im Unternehmen ist das Gefühl von Zugehörigkeit ein wichtiger Stellhebel für Wohlbefinden. Lassen Sie zu, dass professionelle Bindungen entstehen und fördern Sie das Vertrauen ineinander.
Tipp 2: Die Magie der Vorbildwirkung
Als Führungskraft haben Sie für Ihre Mitarbeiter*innen eine Vorbildfunktion. Grund genug, ehrlich, authentisch und kooperativ auf Menschen zuzugehen. Das gilt besonders in Bezug auf Fehler. Vermitteln Sie das Gefühl, auch einmal Fehler machen zu dürfen. Denn Fehler sind Lerngutscheine. Wer aus Fehlern lernt, macht es beim nächsten Mal besser, sofern er ein vertrauensvolles Umfeld vorfindet, in dem auch die Führungskraft Fehler eingesteht – und daraus lernt.
Tipp 3: Motiviertheit statt Motivation
Das menschliche Belohnungssystem ist aktiv, wenn Aussicht auf Erfolg besteht. Erfolg, der mir nicht in den Schoß fällt, sondern für den ich mich schon anstrengen muss, der mich aber auch nicht überfordert. Öffnen Sie Ihrem Team Räume und zeigen Sie Grenzen.
Tipp 4: Wenn Du es eilig hast, gehe langsam
Krisen haben mit der VUCA-Welt vieles gemeinsam: Sie sind meist überraschend, komplex und oft überfordernd. Erkenntnisse und Erfahrungen aus dem Krisenmanagement können helfen, Komplexität zu handhaben: recherchieren, strukturieren, portionieren, ? Machen Sie bewusst einen Schritt nach dem anderen.
Tipp 5: Individuelle Spezialisierung statt Einheitsbrei
Fördern Sie die unterschiedlichen Talente und Fähigkeiten Ihrer Mitarbeiter. Je unterschiedlicher das Team, desto besser sind Sie für die Herausforderungen von morgen gewappnet.
Tipp 6: Im Zeitalter des Unbewussten / der Intuition
Viele Aufgaben werden immer komplexer, doch unser Gehirn kann maximal 7+/-2 Bedeutungseinheiten gleichzeitig aktiv haben. Deshalb führt ein Mehr an Faktenwissen nicht immer zu besseren Entscheidungen. Trauen Sie sich und Ihrem Team auch intuitive Entscheidungen zu.