New Work ist kein Obstkorb – sondern eine Zumutung
Ein Essay über Sehnsüchte, Missverständnisse und die radikale Ehrlichkeit, die Arbeit heute braucht.
Wenn wir über New Work sprechen, dann denken viele an helle Büros, die nach Zitronengras duften. An Tischkicker, Gleitzeit und Menschen, die sich mit Post-its um einen Touchscreen versammeln. Wir haben uns daran gewöhnt, New Work mit Möbeln, Ritualen und Feelgood-Versprechen gleichzusetzen.
Doch das, was einmal als Gegenentwurf zur entfremdeten Erwerbsarbeit gedacht war, ist zur Kulisse geworden. Eine Idee, die einst Arbeit humanisieren wollte, wurde zur Marketingfolie auf alten Systemen.
In der Radiosendung „Fairplay Spezial“ spricht Organisationsentwicklerin Birgit Schreder-Wallinger über diese Entwicklung mit klarem Blick – und leiser Enttäuschung. Sie nennt das, was viele nicht mehr auszusprechen wagen: New Work hat Erwartungen geweckt, die nicht erfüllt wurden.
Vom Versprechen zur Verpackung
Der Begriff stammt von Frithjof Bergmann, einem Philosophen, der die Arbeit von Grund auf neu denken wollte. Sein Ideal: Menschen sollen das tun, was sie „wirklich, wirklich wollen“.
Doch was als revolutionärer Ansatz gedacht war, wurde in Unternehmen auf Gratis-Obst und Homeoffice-Policies reduziert.
Kein Wunder also, dass viele heute lieber von „Future of Work“ sprechen. Klingt frischer, technischer, lösungsorientierter. Vielleicht auch, weil „New Work“ zu oft als freundliches Rebranding von Kontrolle missverstanden wurde.
Doch ob New oder Future – das Ziel bleibt dasselbe: Arbeit so zu gestalten, dass sie nicht nur funktioniert, sondern auch stärkt.
Empowerment ist kein Programm
Schreder-Wallinger bringt in der Sendung einen zentralen Begriff ins Spiel: psychologisches Empowerment. Es geht um Selbstwirksamkeit, um das Erleben von Einfluss, Sinn, Autonomie.
Keine Maßnahme der Welt – kein Workshop, kein Canvas – kann das erzwingen.
Empowerment ist kein Tool, sondern ein Zustand.
Und er entsteht nicht durch Wohlfühlangebote, sondern durch ernst gemeinte Partizipation. Durch Raum für Verantwortung. Durch das Aushalten von Unsicherheit.
Es braucht also mehr als Führungskräfte, die ihre Leute „abholen“ wollen – es braucht Organisationen, die bereit sind, Kontrolle abzugeben.
Agilität ist mehr als ein Framework
Auch Agilität – das zweite große Schlagwort der Sendung – wird oft missverstanden. Es geht nicht darum, schneller zu rennen oder jeden Trend mitzumachen.
Agilität meint: anpassungsfähig zu bleiben, ohne sich selbst zu verlieren.
Frameworks wie Scrum oder OKRs sind dabei Werkzeuge, keine Heilsversprechen. Sie helfen, Struktur zu schaffen, wo man Chaos erlaubt.
Auch das ist eine Zumutung: Wer agil arbeiten will, muss sich bewegen. Und oft ist nicht die Methode das Problem, sondern die Angst vor dem Kontrollverlust.
Kleine Intervention, große Wirkung
Die vielleicht tröstlichste Botschaft der Sendung: Man muss nicht alles auf einmal ändern.
Manchmal reicht es, mit einem ehrlichen Gespräch zu beginnen. Mit einer Retrospektive. Mit einer Frage, die zu oft fehlt: Was funktioniert bei uns eigentlich – und was nicht?
Selbst in starren Systemen sind minimale Eingriffe möglich, die viel verändern: Wenn Menschen erleben, dass sie gehört werden, entsteht Raum für das, was Bergmann einst „wirklich, wirklich wollen“ nannte.
New Work ist kein Angebot. Es ist eine Entscheidung.
Am Ende geht es nicht um Namen. Nicht um Begriffe, Labels, Buzzwords. Es geht um eine Haltung.
Die Entscheidung, Arbeit nicht länger als reine Ressourcennutzung zu begreifen, sondern als das, was sie im besten Fall sein kann: eine Form von Beziehung – zu uns selbst, zu anderen, zu einer Idee von Zukunft.
New Work ist keine Wohlfühloase. Es ist ein ehrlicher Blick auf das, was möglich ist – wenn wir uns trauen, alte Denkweisen loszulassen. Und bereit sind, nicht nur zu verändern, sondern uns selbst verändern zu lassen.
Basierend auf der Radiosendung „FairPlay Spezial“ mit Birgit Schreder-Wallinger.
Ausgewertet mit GPT-4o. Redaktion: David Lageder für softskills.at.